Team oder die unvermeidliche Sportmetapher
7. Oktober 2024Am Ende findest du die Links um diesen Beitrag zu hören oder zu sehen.
Wo ist das Team?
Hallo! Ich habe beim letzten Mal dargestellt, dass Sportmetaphern zum Team nur teilweise helfen. Denn die Frage ist ja, hast du eine Teamsportart oder verbindet euch lediglich, dass ihr in derselben Disziplin antretet? Also der Einfachheit halber: Fussball oder schwimmen?
Was ich sehr oft erlebe ist, dass ich für ein Teamcoaching angefragt werde, doch die Führungskraft kein echtes Team führt. Dazu ein Beispiel aus dem Bereich Banken. Als ich in den 90er Jahren meine Lehre gemacht habe, hatte meine Bank noch Filialen, in denen die unterschiedlichen Segmente der Bank, also Privat-, Geschäfts- und Firmenkunden unter einem Dach zusammen waren. Durchaus bereits in Abteilungen zusammengefasst, jedoch am Standort alle unter einer einheitlichen Filialleitung.
Ebenso gehörten die nachfolgenden Arbeitsschritte wie Kreditbearbeitung noch am Standort dazu. Über die Jahre wurden diese Abteilungen immer mehr voneinander getrennt. Backoffice-Tätigkeiten wurden zentralisiert und an einem fernen Standort zusammengefasst. Die gesamte Sparte Firmenkunden wurde übergreifend zusammengefasst. Außerdem wurde die Anlageberatung mindestens für größere Vermögen ebenfalls herausgetrennt.
Wenn du an deine Organisation denkst, hast du vielleicht ähnliches erlebt. Nämlich, dass ähnliche Tätigkeiten zusammengefasst wurden und von den vor- und nachgelagerten Arbeitsprozessen abgetrennt wurde.
Übertragen auf meine Sportmetapher bedeutet dass, dass aus dem Fussballteam der 90er Jahre nun eine nach Disziplinen geordnete Individualsportart wurde. Ich fand mich mit anderen Kolleginnen auf einem Flur wieder, die wir alle in derselben Disziplin antraten: dem Hürdenlauf oder auch 200 Meter Freistil. Hier überlasse ich dich deinen Vorlieben.
Damit wurde jedoch das Team im eigentlichen Sinne aufgelöst. Denn diese in Disziplinen zusammengefassten Menschen hatten keine Verantwortungsgemeinschaft im engeren Sinne mehr. Das sie zusammen ein bestimmtes Ertragsziel erreichen sollten, ist vergleichbar damit, dass an die Schwimmer:innen die Anforderung nach einer bestimmten Zahl an Medaillen gestellt wird. Ich kann dabei lediglich meinen Anteil beisteuern. Nicht mehr und nicht weniger. Meine Leistung hat nur indirekt Auswirkungen auf meine Kolleg:innen und umgekehrt. Eher stehen wir noch in einer Art Konkurrenzkampf. Auf die Spitze getrieben wird dies noch durch Einzelmessung der Mitarbeiter:innen. Die verantwortliche Führungskraft führt nun definitiv kein Team mehr. Sie führt eine Gruppe hochspezialisierter Einzelpersonen. Die Führungsaufgabe liegt darin, jeder einzelne Person den Rahmen zu gestalten, besser zu werden und von jeder Person Leistung einzufordern. Dabei sind Konflikte untereinander, destruktiver Wettbewerb zu unterbinden.
Die jeweils Beteiligten haben als verbindendes Element maximal das gemeinsame Nutzen des Trainingsgeländes. Also das Nutzen der Ressourcen, um die eigene Medaillenanforderung zu erfüllen.
Das Zusammenspiel im Sinne von Fussball verläuft ganz woanders. Vielleicht in einem Fall von dem Kollegen am Schalter, über die Telefonie, einen Firmenkunden- und Versicherungskollegen und eine Kollegin in der Kreditbearbeitung. Weil wir alle gemeinsam am selben Kunden aktiv sind. Und niemand von uns alleine eine wirklich gute Leistung bringen kann, die den Kunden zufriedenstellt. Vergleichbar mit einem Restaurant: Die Küche kann noch so gut sein, es ist das Zusammenspiel mit Service und Sommelier, die ein aussergewöhnliches Erlebnis schafft.
Das Team, das eine Entwicklung durchmacht und wo es sich hin zu schauen lohnt, ist also in modernen Organisationen meist eher vertikal angesiedelt, als horizontal.
Vertikal bestehen Abhängigkeiten, hier besteht eine Verantwortungsgemeinschaft. Ich kann dem Kunden eine noch so gute Finanzierung verkaufen. Wenn die zuständige Person im Backoffice des Kreditbereichs meine Finanzierungsidee nicht mitträgt oder durch ihr Verhalten sabotiert, dann scheitern wir beide im Erfolg. Den Kreditbereich gibt es nur, wenn die Sales-Kolleg:innen Kredit verkaufen. Die Sales-Kolleg:innen verkaufen nur Kredite, wenn das Zusammenspiel vertrauensvoll klappt. Dazu sollte auch die Produktausgestaltung und die Kondition passen. Die Abhängigkeiten und die klassische Verantwortungsgemeinschaft eines Teams verläuft vertikal.
In Küchen ist das eindeutig, wie schon dargestellt. Auch innerhalb dem engeren Rahmen der Küche wird es noch deutlicher. Die Köche sind auf die entsprechende Vor- und Nacharbeit der Küchenhilfen angewiesen. Hier sind wir beim klassischen Teamsport. Das Zuspiel muss passen, damit der Ball verwandelt werden kann. Und wenn mal ein Fehler passiert, braucht es jemanden, der oder die es ausbügelt. Wie zum Beispiel die Servicekraft eventuelle Beschwerden auffängt und als Teil ihres Verantwortungsbereiches annimmt.
In dem Maße, wie Ökonomen in der Suche nach Effizienzgewinnen gleichartige Tätigkeiten in Disziplinen und Einzelsportarten gebündelt haben, wurde der Effizienzbringer Teamarbeit konterkarriert.
Wenn du also in eine Führungsaufgabe gehst und denkst, du hast nun ein Team zu gestalten, stelle dir vorher die Frage: Bin ich Trainer:in im Bereich Teamsport oder habe ich die Verantwortung für eine Disziplin von Einzelsportler:innen.
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