Vielfalt erzeugt auch Verlierer!
1. August 2024Warum berauben wir Männer uns eigentlich einer so wichtigen Kompetenz, wie dem Umgang mit Vielfalt?
Wenn ich Anfragen aus Unternehmen und Organisationen bekomme, dann habe ich dort Ansprechpartnerinnen. Keine gendersensible Sprache notwendig. Das Thema Diversity liegt im Regelfall bei einer Frau.
Wenn ich an den jährlichen Diversity-Tag in meiner Heimatstadt denke, dann ist der Anteil der Teilnehmerinnen etwa 3mal so hoch, wie der ihrer männlichen Kollegen.
Wenn ich „wir Männer“ sage, dann meine ich damit cis-Männer, Hautfarbe weiss, Alter weitgehend egal.
Nur in diesem Falle habe ich belastbare Beobachtungen.
Die Programm, die Aufträge, um die es dann geht: für Frauen und marginalisierte Minderheiten.
Frauenmentoring steht ganz oben auf der Hitliste. Bevorzugt in der Variante „alte Männer erklären jungen Frauen, wie es geht“.
Es folgen Netzwerkaktivitäten (Frauen, LSBTIQ+, Expats u.ä.) und dann Diversitytrainings. Letztere meist auf freiwilliger Basis oder gezielt für das HR. In beiden Fällen – sie ahnen es – ist die Mehrheit der Teilnehmer:innen!
Ich komme zu dem Schluss, dass weisse Männer entweder der Meinung sind, sie sind ohnehin mit perfekten Diversitykompetenzen ausgestattet oder sie empfinden dies als überflüssig.
Ich vermutet leider letzteres. Wenn Alle um sie herum lernen, sich wie ein Mann zu verhalten, dann ist es ja auch überflüssig. Doch damit liebe Männer beraubt ihr euch einer der wesentlichen Kompetenzen auf dieser Welt.
Ja, einer Kompetenz!
Wer Diversity als etwas betrachtet, dass man sich leistet, wenn es dem Unternehmen gut geht, der trägt dazu bei, dass es dem Unternehmen eher schlecht geht.
Mit menschlicher Vielfalt umgehen zu können, ist eine der Schlüsselkompetenzen in unserer globalisierten und teambasierten Welt.
Wer diese Kompetenz verschenkt, sie ignoriert und ganz im Gegenteil, zu Ausgrenzung beiträgt, verschenkt unter Umständen den Unterschied zwischen Spitzenposition und Mittelmaß.
Sichtbare Vielfalt ist dabei Folge statt Voraussetzung.
Diversitykompetenz bedeutet, die eigenen Filter und Verhaltensmuster zu kennen, mit denen ich andere Menschen betrachte. Wem höre ich zu? Wessen Meinung nehme ich ernst? Mit wem suche ich Kontakt und mit wem meide ich diesen?
Damit öffne ich den Raum für die Vielfalt an Sichtweisen und Herangehensweisen, die wir Menschen mitbringen. Damit lasse ich mehr zu, als nur verschiedene Meinungen. Ich lasse unterschiedliche Erfahrungen zu, Lebensweisen, Lebensrealitäten mit ihren ganz eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten. Diese Vielfalt im Denken und Handeln ist ein ökonomischer Werttreiber. Hier entsteht Kreativität, nur so entsteht Disruption. An einem deutschen Stammtisch von 50jährigen weissen Männern wurde dagegen eher noch kein Durchbruch erzielt.
Diversitykompetenz verringert Reibungsverluste in Teams. Sie senkt das Konfliktpotential und spart damit mindestens die Folgekosten aus konfliktbedingter Fluktuation.
Was ich vermisse, sind Programme, die sich gezielt an die Männer wenden. Und da mache ich bei der sexuellen Orientierung keinen Unterschied. Auch schwule Männer sind Männer.
Was ich vermisse ist, dass sich diese dominante Gruppe damit auseinandersetzt, welche Mechanismen der Ausgrenzung sie anwenden. Wie sie unbewusst gelenkt werden in ihren Auswahlentscheidungen. Wie sie andere Menschen unsichtbar machen und wie blind sie auf dem Auge der Diversitätskompetenz sind.
Im Straßenverkehr lasse ich ja auch den zur Nachschulung gehen, der sich unpassend verhält. Wenn wir in den westlichen Systemen – und nur dort, denn in der Gesellschaft stellen sie die Minderheit – so einen dramatischen Überschuss von heterosexuellen und weissen Männern haben, dann offenbar, weil diesen eine wesentliche Kompetenz fehlt: Mit Vielfalt umzugehen und die eigenen unbewussten Voreingenommenheiten zu erkennen. Das es an der mangelnden Kompetenz oder dem fehlendem Willen der vielen anderen Menschen liegen soll, bezweifle ich.
Also her mit den Programmen, in denen die männliche Führungsebene vorangeht und Verantwortung für Diversität übernimmt Programme, in denen sich mit den unbewussten Voreingenommenheiten auseinandergesetzt wird, damit, wie wir unbewusst ausgrenzen und unsichtbar machen. Umgekehrte Mentorenprogramme, bei denen die Minderheit der Mehrheit als Coach zur Seite steht. Damit diese erkennt, was es alles zu lernen und zu entdecken gibt.
Wenn sich mehr Männer damit beschäftigen würden, Kompetenz im Hinblick auf Diversität aufzubauen, würden alle Ebenen von Unternehmen diverser werden. Auch für die Gesellschaft hätte mehr Diversitätskompetenz wesentliche Vorteile.
Hey Mann! Vielfalt geht dich an!
Lass dir diese Kompetenz nicht vorenthalten.