Hey Mann! Vielfalt geht dich an
14. Juli 2024Ist das Vielfalt, oder tut das nur so?
15. September 2024Oftmals begegnet mir die Haltung, dass mehr Vielfalt, mehr Diversität für alle nur Vorteile hätte.
Unternehmen wären innovativer und Teams wären kreativer. Vielfalt an sich hätte einen messbaren Wert.
Das dem nicht so ist, sollte uns schon die Beobachtung nahelegen, dass es so schwer ist, mehr Vielfalt in Unternehmen und Organisationen zu etablieren. Wenn alle nur profitieren, müssten alle Menschen mehr Vielfalt anstreben.
Seit Jahrzehnten geht es zum Beispiel bei der Gleichstellung der Frau nur langsam voran. Dabei sind Frauen nicht mal eine Minderheit. Wie steht es dann erst um die Akzeptanz von Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund, abweichenden Glaubensvorstellungen, sexueller Orientierung, unterschiedlichem Bildungsgrad und vielem mehr?
Der Grund dafür ist einfach: Vielfalt erzeugt Verlierer!
Wenn ich antrete, um Unternehmen diverser zu machen, dann signalisiere ich damit ganz deutlich den aktuell anwesenden Personen:
Eure Positionen sind in Gefahr. Denn mehr Vielfalt in der Belegschaft heisst doch auch, mehr Konkurrenz. Wenn in einer Firma aktuell 75% der Führungspositionen mit Männern besetzt sind, dann bedeutet mehr Diversity, dass viele dieser Männer ihre Position verlieren werden. Mindestens, dass sie ab jetzt mehr Konkurrenz und Druck ausgesetzt sind.
Wer mehr Vielfalt will, der beschneidet zwangsläufig Privilegien!
Nahezu global heisst das: Männer kommen unter Druck.
Denn fast überall dominieren patriarchalische Systeme. Damit gehen Privilegien einher. Diese werden allerdings selten als solche erkannt. Für den, der privilegiert ist, wirkt es alltäglich und vollkommen stimmig. Man(n) ist halt besser, kompetenter, zielstrebiger als andere. Es sind doch sicherlich keine ungerechten Vorteile, für die man so gar nichts getan hat?
Die Vorteile von mehr Diversitätskompetenz liegen meines Erachtens auch auf der Hand. Die Menschheit ist divers. Keine zwei Menschen stimmen in ihren Erfahrungen und Lebenswirklichkeiten vollständig überein. Damit umgehen zu können und diese Unterschiede konstruktiv gestalten zu können, ist eine unschätzbare Kompetenz. Sie trägt zur Reduzierung von Konflikten bei, steigert die Selbstzufriedenheit und schafft den Nährboden für Innovation, Kreativität und Disruption.
Doch wenn wir wirklich alle Menschen gleichwertig betrachten, dann bedeutet das auch, dass ich nun wirklich auf meine Kompetenzen und Fähigkeiten angewiesen bin. Das ich eben als Mann ohne die unbewussten Vorteile, die auf unbewussten Voreingenommenheit basieren, auskommen muss.
Und weil das so ist, weil ein mehr an Vielfalt eben diesen Verlust erzeugt, braucht Diversity starke Strukturen und Regeln. An die intrinsische Motivation der Betroffenen zu appellieren, mag in Einzelfällen ausreichen. Doch schon die aktuellen Umfragen zum Klimawandel belehren uns eines besseren. Auf die Frage, was denn die Menschen bereit wären konkret zu tun und auf was sie verzichten würden, antworten fast 80% mit: Gar nichts.
Es soll sich etwas ändern, ohne das ich mich ändere.
Das entspricht auch meiner Beobachtung beim Thema Diversity. Wenn Vorstände mal wieder Diversity entdecken – meist, um ihr Unternehmen am Arbeitsmarkt attraktiver dastehen zu lassen – dann meinen sie: es soll irgendwie diverser werden, ohne, dass es mich selbst betrifft.
Denn dort, im Vorstand, gilt es, anzufangen. Mit Quoten z.B. für Geschlechter, vielleicht auch für kulturelle Herkünfte usw.
Und tun wir bitte jetzt nicht so, als wenn damit Kompetenz ausgehebelt wird. Quote und Kompetenz vertragen sich durchaus. Mann sein und Inkompetent sein, kommt ja auch vor. Nicht wahr?
Ebenso sollte genau diese Ebene vorangehen und Diversitätskompetenz entwickeln. Also sich auf die Suche nach den eigenen Filtern machen, die eigenen Verhaltensmuster erkennen und ggf. auf ihre Wirksamkeit prüfen und anpassen.
Es braucht privilegierte Alliierte, um Diversity voran zu bringen. Männer also, die darum wissen, dass wir langfristig alle profitieren, wenn wir mit Vielfalt umgehen lernen. Diese müssen mutig voran schreiten und Strukturen schaffen, die dann Vielfalt erzwingen.
Nur mal nebenbei: Im Straßenverkehr setzen wir auch nicht auf das Prinzip Einsicht und Hoffnung. Da wo wir es tun – bei freiwilligen Vorsorgeuntersuchungen, Selbstverpflichtungen etc. – lässt sich doch eher Scheitern konstatieren, als Erfolg. Ausnahmen werden auch hier die Regel bestätigen.
Vielfalt erzeugt Verlierer! Zuerst.
Denn eine Gesellschaft, die Diversity schätzt, lebt, pflegt und sich mit der eigenen Diversitykompetenz auseinandersetzt, stellt Privilegien in Frage. Und wer diese Privilegien aufgeben muss, der wird das nur widerwillig tun. Eher wird er sich dagegen wehren.
Das erklärt auch, warum so wenig vorankommt und das Tempo dabei auch noch sehr langsam ist.